Wegkreuze begleiten uns auf unseren Spaziergängen und Wanderungen auf Schritt und Tritt. Doch wie kam das Kreuz an den Wegesrand, und welche Bedeutung hat es für die Passanten?
Ein guter Gedanke, eine kleine Bitte, ein Dankgebet – zahlreiche Wegkreuze laden an Spazier- und Wanderwegen, an Hausfassaden und Hofeinfahrten zu einem kurzen Halt ein. Bereits in vorchristlicher Zeit wurden an gefährlichen Orten oder strategischen Stellen, wie etwa an Straßengabelungen, Grenzlinien, Anhöhen oder Gebirgskämmen Kultobjekte errichtet. Anleiten und schützen, innehalten und führen – so vielfältig ihre Standorte, so unterschiedlich und symbolhaft wurde auch ihre Bedeutung: Wohin soll ich gehen? Wo soll ich abzweigen? Wer beschützt mich auf meinem Weg? Zweifel und Fragen, die das menschliche Leben begleiten – so wie es auch Wegkreuze tun. Nachdenken über eigene Lebensentscheidungen, diese in Stille dem Gekreuzigten anvertrauen, sich bewusst machen, dass unser Weg mit all seinen Windungen und Unvorhersehbarkeiten eine Wallfahrt von der Erde in den Himmel sein kann...Man muss kein besonders gläubiger Mensch sein, um die Kraft dieser einfachen, meist in Holz geschnitzten Kreuze zu spüren. Manchmal weisen sie aber auch auf dramatische Orte hin, wo sich Mord und Totschlag zugetragen haben, oder an denen Menschen unter anderen tragischen Umständen ums Leben gekommen sind.
Verbindung zwischen Himmel und Erde
Die sakrale Form des Kreuzes wird seit Jahrhunderten als etwas Magisches, etwas sehr Kraftvolles gesehen. So wie in vielen anderen Kulturen symbolisiert die Verbindung einer horizontalen und einer vertikalen Linie auch im Christentum die Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwischen Göttlichem und Menschlichem; für die Christenheit ist es ohnehin das wichtigste Symbol, das auf die Erlösung der Menschheit von Leid und Tod durch Jesus Christus verweist. Bereits ab dem 14. Jahrhundert wurden im gesamten Alpenraum Wegkreuze aufgestellt. Die Christusfiguren waren meist in Zirbenholz geschnitzt, der Kreuzaufbau war aus Lärchenholz. Besondere Verbreitung erfuhren sie in der Zeit der Gegenreformation ab dem 16. Jahrhundert. Ab dem 19. Jahrhundert wurde häufig eine rautenförmige Vertäfelung als Rückwand angebracht, um den Korpus vor Wettereinflüssen zu schützen. Damit wurde gleichzeitig Platz geschaffen für weitere christliche Symbole, etwa das Heiligste Herz Jesu, der Kelch mit dem Allerheiligsten oder die Leidenswerkzeuge. Jedes Wegkreuz spiegelt den Stil seiner Entstehungszeit wider und zeugt von der tiefen Frömmigkeit ihrer Errichter. Ihre Bedeutung haben sie bis heute nicht verloren: Sie werden liebevoll gehegt und gepflegt, mit Blumen geschmückt, erneuert und instandgesetzt von Menschen, denen „ihre“ Wegkreuze nach wie vor viel bedeuten.
Zeugen von Vergangenheit und Gegenwart
Eines der ältesten Wegkreuze im Feriengebiet rund um Sterzing ist wohl das Kreuz beim „Pfitscher“ in Ridnaun, das auf die Zeit um 1400 zurückgeht. Kaum vorstellbar, wie viele Passanten dieses kleine Holzkreuz in den vergangenen 600 Jahren bereits vorbeigehen sah … Wer mit offenen Augen und offenem Herzen unterwegs ist, spürt die Kraft, die von Wegkreuzen ausgeht. Als Zeugen von Vergangenheit und Gegenwart erzählen sie vieles über die Menschen, die hier leben, von ihren Sorgen und Ängsten, von ihrem Versuch, Wege aus schwierigen Situationen zu finden. So werden Wegkreuze nicht nur zu schmückenden Elementen am Wegesrand, sondern vielmehr zu spirituellen Wegweisern auf unserem Lebensweg.