Auf den ersten Schnee – darauf warten passionierte Wintersportler mitunter mit Ungeduld. Und nicht nur sie. Dem Zauber frisch gefallenen Schnees kann man sich kaum entziehen.
Dass Schnee nicht gleich Schnee ist, wissen wohl nur wenige so genau, wie die Experten in den Skigebieten Ratschings-Jaufen, Ladurns und Rosskopf. Denn: Schnee ist ihr Metier. Und sie wissen bestens Bescheid, wenn es um die Beschaffenheit und Eigenschaften verschiedener Schneearten geht, des luftig weichen Pulverschnees ebenso wie des Harschschnees mit seiner hartgefrorenen Oberfläche oder um den technischen Schnee, wie der Kunstschnee korrekt heißt. Denn eines ist inzwischen sicher: Selbst in schneereichen Wintern ist die künstliche Beschneiung Voraussetzung für bestens präparierte Pisten.
Wasser + Luft + kalte Temperaturen = Schnee

Schnee besteht aus Wasser und Luft. Das Prinzip ist einfach und bei Naturschnee und technischem Schnee gleich. Kleine Wassertropfen gefrieren und verwandeln sich in Schneekristalle. Jede Schneeflocke ist für sich ein kleines, filigranes Kunstwerk, das sich aus unterschiedlich geformten, sechseckigen Eiskristallen zusammensetzt. Künstlich erzeugte Schneeflocken sehen anders aus: Sie sind rund. Schneekanonen und Schneelanzen kühlen Wasser und Druckluft auf die ideale Temperatur und blasen ein Gemisch aus Luft und Wasser nach draußen. Sofort bilden sich an der kalten Luft kleine runde Eiskristalle, an die sich weitere feine Wassertropfen heften, die ebenso gefrieren – die Kunstschneeflocke entsteht. Schneekanonen haben eine größere Wurfweite als Schneelanzen und sind für die großflächige Pistenbeschneiung ideal, während Schneelanzen mit ihrer geringeren Reichweite vor allem Schnee für Skiwege herstellen. Chemische Substanzen kommen bei der Produktion von Schnee übrigens nicht zum Einsatz.
Doch wann ist eigentlich der ideale Zeitpunkt zum Beschneien? Spätestens jetzt wird klar, dass die Sache mit dem technischen Schnee doch etwas komplexer ist als vermutet. Denn zwei Punkte müssen zusammenspielen: die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit. „Maßgeblich für die Produktion des technischen Schnees ist die Feuchtkugeltemperatur, also das Verhältnis von Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit“, erklärt Anton Obex, der im Skigebiet Raschings-Jaufen für die Pisten verantwortlich ist „Als Faustregel kann man sagen, dass leichte Minusgrade und weniger als 80 Prozent Luftfeuchtigkeit ideal zum Beschneien sind.“ Je trockener die Luft ist, desto höher darf die Umgebungstemperatur sein. Das heißt umgekehrt: Bei trockener Luft erzeugen Schneekanonen auch bei einer Temperatur von Null Grad Schnee.
Im Sommer an den Winter denken

Die Vorbereitung auf den kommenden Winter beginnt in den Skigebieten schon früh – meist mit der Wartung der Beschneiungsanlage. Dann werden Düsen gereinigt und Schläuche kontrolliert. Inzwischen sind die meisten Schneeerzeuger in den Skigebieten fix montiert: Sie werden über unterirdisch verlegte Kabel und Rohre mit Strom und Wasser versorgt und vollautomatisch gesteuert und im Sommer mit Hussen abgedeckt. Mobile Schneekanonen hingegen werden im Sommer eingelagert. Im Winter haben sie den Vorteil, dass sie mit den Pistenfahrzeugen genau dorthin gebracht werden können, wo man sie gerade braucht.
An den Winter denken heißt aber auch, offen für Innovation sein. „Wir investieren jedes Jahr in unsere Beschneiung“, sagt Paul Eisendle, Präsident der Neuen Rosskopf GmbH, und unterstreicht damit einmal mehr, wie wichtig leistungsstarke und effiziente Schneeerzeuger sowie zeitgemäße Technik für Skigebiete sind. „Viele der Schneeerzeuger, die im Einsatz sind, arbeiten mittlerweile mit Eigendruck – was sich positiv auf den Stromverbrauch auswirkt.“ Umweltschutz, Nachhaltigkeit, effizientes und ressourcenschonendes Arbeiten, das sind Themen, die längst auch in den Skigebieten angekommen sind.
Mit und ohne Frau Holles Hilfe
Damit zum Start der Wintersaison alles bestens vorbereitet ist, wird im November mit der Beschneiung der Pisten begonnen. Technischer Schnee ist sehr kompakt und bildet eine stabile Grundschicht für die Skipisten. Er ist mit einer Dichte von 300 bis 500 Kilogramm pro Kubikmeter wesentlich schwerer als Naturschnee (Naturschnee: zehn bis 80 Kilogramm), schmilzt langsamer und bildet beim Skifahren weniger schnell die unvermeidbaren Buckel.
Die wichtigste Ressource zur Schneeerzeugung – das Wasser – kommt in allen drei Skigebieten teils aus Speicherbecken, teils aus Bächen und Quellen. „Eine Schneekanone verbraucht mindestens 0,8 Liter Wasser pro Sekunde“, weiß Anton Obex. In Ratschings-Jaufen, dem mit 28 Pistenkilometern größten Skigebiet im Wipptal, fasst das Speicherbecken rund 62.000 Kubikmeter Wasser, daneben gibt es noch zwei kleinere Speicherseen. „Eine streng reglementierte Menge an Wasser darf aus Quellen und dem Bach entnommen werden“, fügt Anton Obex hinzu.

Ähnlich verhält es sich am Rosskopf und in Ladurns. „Unser Speicherbecken oben am Berg umfasst 22.000 Kubikmeter Wasser“, erklärt Paul Eisendle, „außerdem entnehmen wir Wasser aus dem Eisack, das nach oben gepumpt wird.“ Am Ende der Skisaison darf die Sonne am Rosskopf ans Werk und die Skipisten langsam ausapern. Das Wasser fließt in den Eisack zurück, und ein Kreis schließt sich. Beschneit werden am Rosskopf rund 20 Pistenkilometer und die Rodelbahn.
Michael Hochrainer, Betriebsleiter des Skigebiets Ladurns, weiß ganz genau, dass die 55.000 Kubikmeter Wasser, die der Speichersee fasst, zur Beschneiung der 18 Pistenkilometer nicht reichen. Für die Beschneiung der Talabfahrt kann er zusätzlich auf das Wasser einer kleinen Quelle zurückgreifen. „Weil das Speicherbecken höher liegt als die Pisten, können wir zwei Drittel mit Eigendruck beschneien, für ein Drittel muss das Wasser nach oben gepumpt werden.“ Und noch eine Besonderheit gibt es im Skigebiet Ladurns: „Die Wasserleitung, die im Winter Quellwasser für die Beschneiung der Talabfahrt transportiert, treibt im Frühling, Sommer und Herbst ein kleines E-Werk an.“
„Selbstverständlich ist Naturschnee willkommen“, räumt Paul Eisendle mit einem Vorurteil auf. „Naturschnee hilft jedem Skigebiet.“ Und das in mehrfacher Hinsicht. Einmal erhöht er die vorhandene Schneemenge, denn er verbindet sich problemlos mit dem technischen Schnee. Und zum anderen verwandelt er jedes Skigebiet in eine zauberhafte Winterlandschaft – für ein einzigartiges Wintererlebnis.
Apropos Pistenpräparierung

Ob technischer Schnee oder Naturschnee – Pisten werden während der Skisaison täglich präpariert. Wenn es dämmert, fahren die Männer ihre laut brummenden, PS-starken Pistenfahrzeuge aus der Garage, lenken die tonnenschweren „Schneekatzen“ über die steilen Hänge und schieben damit Schnee hin und her. Aber beileibe nicht beliebig! Schnee, der durchs Skifahren an den Pistenrand und drüber hinaus gedrängt wurde, muss wieder zurück auf die Piste, und zwar nicht irgendwie, sondern gleichmäßig verteilt. Viel Zeit bleibt den Mitarbeitern dafür nicht, denn spätestens um Mitternacht soll die Arbeit abgeschlossen sein, damit die Schneeschichten Zeit haben, sich miteinander zu verbinden.
Auch hier kommt modernste Technik zum Einsatz. „Erst im heurigen Jahr haben wir alle Pistenfahrzeuge mit Schneehöhenmessgeräten ausgestattet“, erzählt Michael Hochrainer. „Sie messen die Höhe der Schneedecke und helfen so beim Präparieren der Piste.“ Aber nicht nur das: Die gemessenen Daten verdeutlichen, ob und wo weiterer Schnee erzeugt werden soll, um ungetrübtes Skivergnügen zu garantieren. Punktgenau.
So herrlich Naturschnee ist, vielerorts wäre Wintersport ohne künstliche Unterstützung schlicht nicht mehr möglich. Mit beeindruckender Präzision und viel Hightech wird in den Skigebieten auf den Klimawandel reagiert und Schnee so nachhaltig wie derzeit möglich produziert. Denn eines weiß man hier ganz genau: Schnee ist kostbar.
Text: Johanna Bampi